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03
Apr

Fahrt durch ungesellige Landschaft III

Neben der Arbeit verfolge ich so gut es geht und mit den dann auftretenden Kopfschmerzen verträglich ist, den live-stream der re:publica II. Gestern ruckelte es noch sehr, heute geht es wesentlich besser. Die Technik macht schon Erstaunen. Das funktioniert recht gut, wenngleich das Bild ausnahmsweise auch kleiner sein könnte, wenn es doch darum nur weniger ruckelte.

Eben noch ging es um Adical und Trigami ((ich habe das nie angesehen und ehrlicherweise auch noch nirgendwo verbreitet gesehen – Trigami kenne ich nur aus dem Schreiben darüber in anderen Blogs)) und Geld mit Blogs. es gibt definitiv einfachere Möglichkeiten als mit Blogs Geld zu verdienen (siehe dazu Don Alphonso aktuell). Wie weit wer überhaupt damit verdient, scheint wenig ausgemacht und öffentlich. Ist ach egal. Es sind sicher eher weniger als mehr Leute. So ähnlich wie be der G€MA.

Erstaunlich ist aber das Panel im großen Saal mit dem ganzen Publikum. Die Männer sehen im Durchschnitt alle so aus wie ich. Alte, bebrillte, bebaartete und häufiger wenig behaarte Männer im Jacket. Und man unterhält sich so, wie man das schon seit seit Jahrzehnten tut. Panel!! Tisch und Stuhl! Oben und unten. Sascha Lobo auf eine Frage: “Das sei sowas von 1978!” – wenn ich es richtig erinnere.

Wenn es nicht alles schon vergessen worden wäre, mit der Werbung hat es nichts Gutes auf sich. Werbung ist meines Erachtens ein Anzeichen für ungünstiges Glück. Richtiges Leben wird so zerrieben.

Während wir dem Imperativ der Werbung immer erfolgreicher widerstehen, zeigen wir uns ihren Aussageformen gegenüber immer empfänglicher, das heißt ihrer einfachen Existenz als Gegenstand des sekundären Verbrauchs und als der Selbstbezeugung einer Kultur – aber nur in dem Ausmaß, als wir an sie “glauben”. Was wir mit der Werbung verbrauchen, ist der Luxus einer Gesellschaft, die zur Instanz der Güterverteilung erhoben wird und die sich selbst in einer Kultur überholt. ((Jean Baudrillard, Das System der Dinge – Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen, Frankfurt/M. 2007, S. 205.))

Das sagte Baudrillard Ende der 60er Jahre und er ergänzte zur Frage der Logik der Werbung, sie laufe nicht mehr nach dem Reiz-Reflex-System, sondern “nach der Logik des Glaubens und der Regression.” ((ebenda, S. 207)) Das bezeichnet auch insgesamt den Zustand der Diskussion, er wird längst nicht rational verhandelt sondern als Glaubensfrage mit all den terroristischen Nebeneffekten. Das ist dann nicht wie 1978 sondern wie 1412. Nur anders.

27
Feb

Vernebelungsdiskurse

Im vorhergehenden Eintrag habe ich Walter Benjamin aus seiner “Einbahnstraße” zitiert. “Armut schändet nicht”, die hohle Floskel, die von oben herab das Leben zur Erträglichkeit verschönt. Benjamins Text geht aber weiter. Und er berührt darin noch deutlicher die Gegenwart, als es zunächst schien.

Aber nie darf einer seinen Frieden mit der Armut schließen, wenn sie wie ein riesiger Schatten über sein Volk und sein Haus fällt. Dann soll er die Sinne wachhalten für jede Demütigung, die ihnen zuteil wird, und so lange sie in Zucht nehmen, bis sein Leiden nicht mehr die abschüssige Straße des Grams, sondern den aufsteigenden Pfad der Revolte gebahnt hat. ((Walter Benjamin, Einbahnstraße, Frankfurt am Main 1977 [1928], S. 30.))

Darin hatte Benjamin seine Hoffnung gesammelt. Nur sind die Chancen für das Wachhalten der Sinne nicht die besten. Die Demütigung richtet sich auch auf die Sinne. Leider häufig im Einverständnis mit dem Unheil. Benjamin sieht das:

Aber hier ist nichts zu hoffen, solange jedes fruchtbarste, jedes dunkelste Schicksal täglich, ja stündlich diskutiert durch die Presse, in allen Scheinursachen und Scheinfolgen dargelegt, niemandem zur Erkenntnis der dunklen Gewalten verhilft, denen sein Leben hörig geworden ist. ((A. a. O.))

Die ganze Sache ist einfach zu billig und zu tief aufgehängt. Der Diskurs über Armut und Reichtum befällt einen in einem derartig niedrigen Reflexionsniveau insgesamt. Jeder kleine Manager weiß längst mehr, jeder Politiker hat die BILD-kompatiblen Patente bereit. Perfekte Vernebelungsdiskurse all dies, die in ihrer Wunderkerzendenke genau wie auch in der Verdunkelungsstrategie ein Imrechtwähnen aufspülen. Gedanken-Palmolive für die Gesellschaft: “Sie baden ihr Hirn gerade darin.”

Benjamin schreibt kurz später:

Aus den Dingen schwindet die Wärme. ((Ebenda, S. 34))

Dieser Vorgang ist so grundlegend und er erfasst einen niederträchtig unmerklich. So sind Armutsproduktion und Neid (auch und gerade bei den Besitzenden) jeweils teuflische und unerbittliche Geschwister. Paart sich dies mit Geiz als Wohlstandsgarant, ist zumindest von nirgendwoher ein Ansatz zur Lösung sichtbar. Ketten, in die man sich zur Sicherung des Eigenen selbst anlegt, sind nicht weniger brandgefährlich als Ketten aus Überwachung und Freiheitsreduktion. Selbstverfasste Dummheit, die sich selbst erzeugt. Ein perpetuum mobile mag es in der Mechanik nicht geben, in der Gesellschaft ist es die Standardenergie.