Es gab einmal eine Zeit, da wirkten manche Fotos wie mit Ultraschall gemacht. Gestern blätterte ich durch die elektronische Weltgeschichte der Digitalen Bibliothek und verlor mich, so gut es eben ging, in alten Geschichten und vor allem Abbildungen und Kartenmaterial. An einer Stelle war dann folgendes Foto zu finden.
Ein Kartensaal aus dem Atomkriegszeitalter. Das Zeitalter ist ja nun nicht vorbei. Aber es scheint doch weniger präsent. Unten, im Zentrum des Bildes sieht man eine elektronische Kamera, die das ganze dann abfilmt. Mit Revolverobjektiven. “Das Zentrum der US-Luftabwehr. Kartensaal der atomsicheren Anlage bei Omaha/Nebraska.” ((Propyläen-Weltgeschichte: Raymond Aron: Weltdiplomatie: Fronten und Pakte. Propyläen-Weltgeschichte, S. 16183, vgl. PWG Bd. 10, S. 420) (c) Ullstein Verlag http://www.digitale-bibliothek.de/band14.htm ]))
Nicht weit von dieser Stelle entfernt eine Aktion zu Tibet als Foto:
Man sieht es sich an und muss feststellen, fast nichts hat sich verändert eigentlich. Nur die Deckel, die man über all das legt, seien es Klangwolken oder Netze ohne Fische, Konsumwelten und anderes Zudröhnzeugs, sind im Wandel. Alle sind sie dann doch nur Surrogate für Bekanntes. Nämlich für das allgemeine menschliche Unglück und Versagen über alles.
Ein unbekannter russischer Fotograf hat diesen Mann an der Drehleier irgendwann einmal im 19. Jahrhundert fotografiert. “Aus der Tiefe, Herr, rufe ich zu dir.” ((Russischer Photograph: »Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir«. Paris, Musée de l’Homme. Land: Russland. Rubrik: Szene. Bildersammlung: Russland. The Yorck Project: 5.000 Meisterwerke der Photographie, S. 5742 (c) 2005 The Yorck Project http://www.digitale-bibliothek.de/Photographie.htm ] )) Das kann man lesen bei der Bezeichnung der Fotografie. Da treffen sich merkwürdig die Haltungen der totalen Technik mit denjenigen des grundsätzlichen Horrors an der Existenz. Besonders die Fotos aus Russland in der Digitalen Bibliothek sind geradezu frustrierend traurig und zeigen eine Welt in der Dämmerung. Man wird nur schwer sagen können, wo das Elend größer ist. Aber es geht auch weniger wohl um Komparative des Unglücks als dessen Stetigkeit. Vor hier aus ist es allemal so, als wären derartige Gedanken ohnehin nur die leichte Spielerei eines Clowns. Das stimmt auch.
Dennoch verspüre ich immer deutlicher den Wunsch, die Vergangenheit zu retten – mit all ihren Gefühlen und anderen Empfindungen. Mit ihrer Schönheit und ihrer Qual gegen die vollkommene (nicht dialektische) Aufhebung durch das pure Machen im Jetzt.