Berlin/Spree. Die erste deutsche Bloggermesse re.pubblica [sic!] ist vorbei. Zwei Austeller, 12 Händler und knapp 700 Besucher verzeichnete die größte deutsche Bloggermesse auf dem Messegelände Kalkscheune in Berlin. Die Messebetreiberorganisation zeigt sich Abschluss der Veranstaltung zufrieden und geschafft. “Das neue Konzept ist im Wesentlichen voll aufgegangen“, meinte Pressesprecher Henning P. Logau gegenüber der “Kritischen Masse“ Öffentlichkeit. “Reden, kommunizieren, Grüßaugust und Geschäfte, alles bestens. Spaß gehabt.”
Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen die zwei Ecksäulen jeder guten Veranstaltung: Geld und Leute. Oder man kann es auch einfacher sagen: Leute und Geld. Wie man erstere findet, um letzteres zu machen. Pipes hin, Röhren her. Die komplette Abrechnung liegt noch nicht vor, dürfte sich aber weit unter den Maßen des Oktoberfestes halten. Die Presseberichterstattung war geradezu sensationell. Toni und Anne. Das Wetter war prima. Sascha Lobo empfiehlt Werbungskritikern ein Praktikum bei der nordkoreanischen Staatszeitung. (Aus wie immer gut informierten Kreisen verlautete allerdings, dass im Moment die nordkoreanische Staatszeitung sich professionalisieren will und gerade Adical als Werbekunden gewinnen möchte.)
Und Stefan Niggemeier hat einen Einführungskurs über den Begriff der Professionalisierung gehalten. Pers. Anmerk.: Auch das ganz in verschiedener Weise aufschlussreich: In vielen wissenschaftlichen Zusammenhängen wird der Begriff der Professionalisierung sowohl als Fortschritts- wie Verfallsprozess aufgefasst. Kunzler spricht in seinem Jazz-Lexikon beim Übergang vom Bebop zum Cool Jazz oder bei der Entwicklung der populären Musik in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von “Professionalisierung”. Killy Literaturlexikon spricht sogar von einer Umkehrung. Im Abschnitt “Vom ständischen Dichter zum freien Schriftsteller” lässt sich lesen:
Bezogen auf die rhetorische Kultur mit ihrer Lehre u. Praxis des Schreibens, ließe sich sogar von einer Entprofessionalisierung, mit der Genieästhetik des Sturm und Drang als entscheidendem Einschnitt, sprechen. Positiv gewendet, bedeutete dies eine Individualisierung der Autorpersönlichkeit u. eine Freisetzung des Schaffensvorgangs. Für die Funktion ›Autor‹ wurde der Bezug »Mensch und Werk« zur krit. Grundkategorie (Foucault 1988) wie zum eth. Maßstab. Killy Literaturlexikon, S. 22452 (vgl. Killy Bd. 13, S. 67-68) http://www.digitale-bibliothek.de/band9.htm ]
Das ist sicher weniger belangvoll als ein Eintrag in der Wikipedia oder dem Bertelsmann-Lexikon (die sind ja leider zur oftmals einzigen Quelle von “Journalisten” aufgestiegen. Sicher könnte man über diesen Begriff auch im Anschluss an Max Weber nachdenken, über protestantische Ethik, Heilserwartungen, innerweltliche Askese. Aber muss nicht sein. Ist nicht meine Profession. Außerdem übersteigt es das Maß eines Messeberichtes bei weitem.)
Man gibt Begriffen Bedeutung, man verleiht sie ihnen. Im Gebrauch und in der Verwendung, im Zusammenhang. Kein Lexikon hilft da weiter, es fixiert nur An-Sätze dazu. Ein Historisches täte es da noch am ehesten.
Dazu ein neuer Aufsatz: “Bloggen als Beruf” von St. Niggemeier. Why not. Denn:
Viele unserer allerbesten Problemstellungen und Erkenntnisse verdanken wir gerade Dilettanten. Der Dilettant unterscheidet sich vom Fachmann – wie Helmholtz über Robert Mayer gesagt hat – nur dadurch, daß ihm die feste Sicherheit der Arbeitsmethode fehlt, und daß er daher den Einfall meist nicht in seiner Tragweite nachzukontrollieren und abzuschätzen oder durchzuführen in der Lage ist. Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit. Und die Arbeit ihrerseits kann den Einfall nicht ersetzen oder erzwingen, so wenig wie die Leidenschaft es tut. Beide – vor allem: beide zusammen – locken ihn. Aber er kommt, wenn es ihm, nicht, wenn es uns beliebt.
[Max Weber: Wissenschaft als Beruf. Max Weber: Gesammelte Werke, S. 5235
(vgl. Weber-WL, S. 590) http://www.digitale-bibliothek.de/band58.htm ]
Muss wieder was spazieren gehen jetzt.